On NFTs - ein allumfassender kunsthistorischer Überblick über das Ökosystem der NFTs auf 604 Seiten

Mit Robert Alice, Herausgeber des Buches “On NFTs”, durfte ich ein Interview führen. Er verriet mir, was seine Motivation für das Verfassen war, welche Kunstschaffenden in der Publikation vertreten sind und wie es war, das 14,6 kg schwere Buch das erste Mal physisch zu erleben.

Die digitale Revolution in der Kunst - die Geschichte der NFTs von 2014 bis 2023

Robert Alice - übrigens ein Künstlername - hat eine Ausbildung als Kunsthistoriker absolviert. Es ist auch als Künstler tätig, in seiner Arbeit bezieht es sich grösstenteils auf die Blockchain-Technologie. 

Aus kunsthistorischer Sicht sah er keinen Nutzen darin, ein weiteres Buch über Picasso zu veröffentlichen. Er findet den “NFT-Raum” sehr aufregend, liebt das Schreiben und die Kunstgeschichte. Mit der Publikation “On NFTs”, welche im Taschen-Verlag erschienen ist, hat er versucht, eine komplexe digitale Geschichte in ein Format zu übersetzen, das die Menschen verstehen und respektieren. Als eine Person, die praktische Erfahrung im NFT-Bereich hat, sah er sich für das Verfassen dieses umfangreichen Buches in der Lage. 

“On NFTs” präsentiert neben einer theoretischen Einführung einen kuratierten Überblick zu 101 Kunstschaffenden und Künstlergruppen, die im Universum der NFTs von 2014 bis 2023 aktiv und bedeutend waren.

Er spielt eine sehr wichtige Rolle für die NFT-Kunstszene: XCOPY

Demokratischer Prozess, wer im Buch aufgeführt ist

Die Auswahl der Kunstschaffenden erfolgte nicht alleine durch ihn. Robert Alice gab ehrlicherweise zu, dass im Buch einige Projekte aufgeführt sind, die ihm persönlich nicht gefallen. Eine Gruppe von 20 Personen hat Vorschläge eingebracht, wer im Buch erscheinen soll. Beinahe 1’000 Namen kamen so auf eine Liste. Wer am meisten genannt wurde, wurde im Buch porträtiert.  

Robert Alice hatte Bedenken, dass digitale Werke, welche nur aus wenigen Pixel bestehen, nicht für einen Druck im Grossformat gut genug sind. Das Gegenteil ist eingetroffen, die Qualität der Reproduktionen ist fantastisch, meint er. 

“On NFTs” wurde das erste Mal der Öffentlichkeit an der NFT Paris Conference 2024 vorgestellt. Für Robert Alice war dies ein sehr bedeutungsvolles Erlebnis. Vor allem, weil er Leute vor Ort sah, die er seit mehreren Jahren kennt, aber zuvor nie physisch getroffen hat. Sie zu umarmen und sich ihre gemeinsame Arbeit anzuschauen, war überwältigend.

Wie NFTs-Werke entstehen

Ein wichtiges Kapitel im Buch ist “On Process“: Beeple, Refik Anadol, Brendan Dawes, Emily Xie, Erick Calderon, Harm Van den Dorpel und Ry Davod Bradley haben Einblick in ihr Schaffen gewährt. Es wird gezeigt, wie ihre Werke am Computer entstanden sind. Das Ziel ist, dass die Lesenden den handwerklichen Ansatz diversere NFT-Praktiken verstehen.

Blick auf den Screen und die Arbeiten von Beeple

Die wahre Bedeutung von NFTs

Robert Alice betont, dass NFTs nur eine Technologie sind. Die philosophische Bedeutung von NFTs besteht darin, dass alle Künstler und Künstlerinnen sein können. Es kommt nicht auf das Können oder die Qualität an. Personen können in den sozialen Medien aktiv werden und ihr eigenes Publikum aufbauen. Und wenn Menschen ihre Arbeit mögen, können sie auch ausserhalb der Kunstwelt existieren. Die Technik ermöglicht ein Mitmachen für alle.

Der Beginn von Buchveröffentlichungen zu NFTs?

Praktisch gleichzeitig mit “On NFTs” ist ein weiteres Buch zu digitaler Kunst und NFTs erschienen. In der Publikation “Right Click Save” können Interviews, Essays und Diskussionen aus dem gleichnamigen Online-Magazin in gedruckter Form gelesen werden. Das Buch richtet sich an Neueinsteigende wie auch an erfahrene Liebhaber:innen digitaler Kunst.

Right Click Save | The New Digital Art Community - 352 Seiten

Und Phaidon hat angekündigt, im Herbst 2024 einen exklusiven Katalog mit 10’000 CryptoPunks zu veröffentlichen.

Robert Alice begrüsst die Vielfalt und Historisierung des NFT-Bereichs. Es zeigt das Wachstum und die Art der Reifung von NFTs. So wird das Regal an Bücher immer länger, Forschende haben mehr Auswahl, es entsteht ein ausgewogenes Porträt.

Das Buch als Edition

“On NFTs” ist ab sofort erhältlich als Hard Code Edition (Nr. 1–600), nummeriert und in einem Edelstahlschuber geliefert. Ebenfalls gibt es das Buch zusammen mit einer limitierten Art Edition von Refik Anadol, Dmitri Cherniak, Sofia Crespo oder Osinachi. Eine handlichere und preiswertere Version von “On NFTs” folgt im Herbst 2024.

Art Edition von Osinachi

Über Robert Alice

Nachdem er 3 Jahr intensiv an der Veröffentlichung des NFT-Buches gearbeitet hat, freut sich Robert Alice, wieder vermehrt künstlerisch tätig zu sein. Wobei er untätig nicht war. Im März 2024 wurde bei Sotheby’s seine generative Kunst “SOURCE [On NFTs]” versteigert. Robert verwandelte NFTs, welche grundsätzlich nur aus Text bestehen, in grosse zeitgenössische Gemälde um.

Bilder, die von SOURCE [ON NFTs] erzeugt wurden, von Robert Alice

Eine Folgeausgabe von “On NFTs” ist derzeit nicht geplant. Aber sicher ist: NFTs werden auch in den kommenden Jahren Geschichte schreiben!

Digitale Kunst zum Nulltarif - zeroone macht es möglich

Kreiere 1 Werk, sammle 10 Werke. Dies ist kurz zusammengefasst das Konzept von zeroone, einer “Kulturvertriebsmaschine”. Bei der Plattform steht das Kreieren, Sammeln und Vernetzen im Mittelpunkt. Dies und noch mehr hat mir Ludovica Rosi verraten, Mitbegründerin von zeroone.art.

welcome to zeroone: the future is undefined - https://zeroone.art/artwork/welcome-to-zeroone-4682

Launched: 17. August 2023

Seit genau 2 Monaten präsentiert sich die NFT-Kulturplattform zeroone.art online. Das Konzept ist einfach: Wer ein Werk kreiert und auf der Plattform mintet, kann in der Folge 10 Werke (ein)sammeln. Alles kostenlos, auch Transaktionsgebühren fallen keine an bzw. diese Kosten werden von der Plattform getragen. Es gibt keine Kuration.

Wie Ludovica Rosi sagt, hat es knapp 1 Jahr gedauert, bis die Plattform als “Minimum Viable Product” gelauncht wurde. Das Team von zeroone hat sich für die Blockchain Avalanche entscheiden. Einerseits wegen der hohen Skalierbarkeit, andererseits wegen des persönlichen Supports. “Avalanche versteht den Wert von Kunst und Technologie”, betont Ludovica Rosi.

Was treibt Kunstschaffende an, ihre digitalen Werke gratis zu veräussern?

zeroone steht für Vielfalt. Die Plattform ist offen für verschiedene Kreativschaffende, egal ob in der Sparte, Fashion, Design, Musik oder Bildende Kunst zu Hause, meint Ludovica Rosi. In erster Linie gehe es darum, eine neue Nutzerbasis zu gewinnen. Die Einstiegshürden sind bewusst attraktiv. Um bei der Plattform mitzumachen, brauchst du weder Geld noch technische (Blockchain)Kenntnisse.

Kostenlose NFTs machen digitale Kunst für ein breiteres Publikum zugänglich. Dies kann dazu beitragen, das Interesse an digitaler Kunst zu steigern. Dank der erhöhten Sichtbarkeit werden die digitalen Kunstwerke von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Dies kann Künstler:innen helfen, potenzielle Käufer:innen anzuziehen.

Konkret ist dies auch geschehen: So berichtete Gusto Hellmen, dass er dank seiner Kreationen auf zeroone neue Verkäufe auf anderen Plattformen erzielen konnte.

Gar enthusiastischer äusserte sich "catswilleatyou": Er bekam zahlreiche Anfragen, seine "Gratis-NFTs" wurden auf dem Sekundärmarkt gehandelt und eine Galerie in Australien hat seine Werke gezeigt.

Ein weiterer Effekt von zeroone ist, dass Künstler:innen zu Collectors werden und Sammler:innen zu Kunstschaffenden. Wobei letztgenannte Konsequenz nicht zwingend der Qualität förderlich ist.

Gemäss Ludovica Rosi wurden bisher über 54 % der erstellten Werke gesammelt, was bedeutet, dass doch eine entsprechende Nachfrage besteht und eine ansprechende Qualität vorhanden ist.

Digitale Kunst zum Nulltarif kann den Wert von NFTs insgesamt auch mindern. Der Anreiz, für ein NFT von Kunstschaffenden zu bezahlen, sinkt, wenn diese auch kostenlos verfügbar sind.

Jedoch sei erwähnt, dass Werke beliebter Künstler:innen - sobald online auf zeroone verfügbar - meist innerhalb weniger Minuten weg sind. Und ja, viele anerkannte Kunstschaffende machen auf diesen Plattformen mit (Aaron Huey, Anna Malina, Leander Herzog, luluxxx, Mark Knol, Stellabelle, Robness, Ina Vare, Espen Kluge, Max Haarich, Diane Drubay, ...).

Grace Jones and the Chibang von stellabelle - https://zeroone.art/artwork/grace-jones-and-the-chibang-3019

Ludovica Rosi bringt zum Ausdruck, dass die Kunstschaffenden nicht ihre besten Werke auf zeroone minten müssen. Sie können auch Work-In-Progress-Arbeiten einer grösseren Arbeit zur Schau stellen. Sie sieht den Kunstmarkt als Kreislauf. zeroone sei kein Marktplatz, sondern eine “cultural distribution engine”. zeroone hat ambitionierte und langfristige Pläne. Als nächstes sei eine Mobile App geplant. Weitere Details seien hier aber nicht verraten.

Zum 2-monatigen Geburtstag vermeldet zeroone folgende Zahlen:

  • Mehr als 5’000 User

  • Mehr als 28’000 Werke gemintet

  • Mehr als 230’000 Editionen gesammelt

Die “Kulturvertriebsmaschine” zeroone hat vor allem eines bewiesen: Digitale Kunst ist nicht tot, NFTs auch nicht!

Dead again - by Moxarra - https://zeroone.art/artwork/dead-0669

Über die Kraft der KI in der Kunst

Künstliche Intelligenz verändert den Blick auf die Kunst. Kreativschaffende testen und spielen mit Tools und erstellen so neue Bildwelten jenseits menschlicher Vorstellungskraft.

Peace Delivery von Roope Rainisto - https://sansa.xyz/asset/0xdfde78d2baec499fe18f2be74b6c287eed9511d7/15000109

Unperfekte und fast perfekte Fotos

Ein Shooting-Star in der Szene ist der Finne Roope Rainisto. In der Serie “Life In West America” untersucht der Designer und Fotograf in einem post-photographischen Projekt die USA: Das Land als Konzept, als Ideal und die Geschichten der Menschen, die diesen Raum bewohnen. Die Kollektion kombiniert die visuelle Sprache der traditionellen Fotografie mit den grenzenlosen Möglichkeiten der KI und fängt einen Moment in der Zeit und in der generativen Technologie ein. Jedes der Werke wird mit speziell für dieses Projekt trainierten Modellen erzeugt.

Sexiest fantasy von Roope Rainisto - https://sansa.xyz/asset/0xdfde78d2baec499fe18f2be74b6c287eed9511d7/15000386

Auf einen ersten flüchtigen Blick wirken die Fotos wie Erzeugnisse vor 50 bis 60 Jahren. Auf den zweiten Blick sind etliche Fehler auf dem Bild zu erkennen, welche nicht der Realität entsprechen. Roope Rainistor meint dazu: “Nachdem ein menschlicher Künstler gelernt hat, eine Hand mit fünf Fingern "richtig" zu zeichnen, fällt es ihm schwer, etwas grundlegend anderes zu zeichnen.

In der Serie “Essential Night” von Roope Rainistor wirken die Dämmerungs- und Abendstimmungen in Verbindung mit verlassenen Orten schon fast wie perfekt belichtete und komponierte Fotografien.

16 Essential Night von Roope Rainisto - https://objkt.com/asset/KT1ARCU7pKbrrpt4HaoJCVS7tKGLMu3qb9XR/15

AI Kunst im Louvré Paris

Gestern machte die Schlagzeile die Runde, dass Werke von Claire Silver in einer Einzelausstellung im Louvre ausgestellt werden. In Wahrheit dürfte es sich nicht um einen prominenten Saal im berühmten Louvre Museum in Paris handeln, sondern um einen Ausstellungsraum im nahegelegenen Le Carrousel du Louvre. Claire Silver ist jedoch keine Unbekannte im Kunstmarkt. Seit 5 Jahren beschäftigt sie sich mit KI-Kunst, das Werk “Blood in the Streets, Late to the Ball” wurde 2022 an einer Auktion bei Sotheby’s versteigert.

Page 466 von Claire Silver - https://opensea.io/assets/ethereum/0xb7ec7bbd2d2193b47027247fc666fb342d23c4b5/100466

In der Serie “AI Art is Not Art” thematisiert sie die Kritik, welcher KI-Kunst ausgesetzt ist. Es fehle ihr an künstlerischem Wert und Können. Die Serie stellt diese Vorstellung in Frage, indem sie auf die Kunstgeschichte zurückgreift. Mit KI-Tools wie Artbreeder, Prosepainter, Collage by Studio Morphogen, Midjourney, Diffusion, StabilityAI und Dalle2, sowie Handmalerei und digitale Collagen erschafft sie einzigartige Kollaborationen mit KI.

Sind Bilder durch künstliche Intelligenz überhaupt Kunst?

Die Frage dürfte oft gestellt werden und zu unterschiedlichen Antworten führen. Es gibt Pro und Contras. Tatsache ist, dass überzeugende und einzigartige Bilder nicht einfach so auf Knopfdruck passieren.

Viele Leute denken, Bild-KI seien leicht zu bedienen: Man gibt ein paar Begriffe ein, und die KI spuckt ein Meisterwerk aus. Aber es braucht sehr genaue Prompts zu Inhalt, Stil, Perspektive und vielem weiterem. Es ist wie an Stellschrauben zu drehen. Zwischen uns und dem fertigen Werk steht eine Maschine, die nur das macht, was man ihr sagt. Sie entscheidet nicht aufgrund einer von ihr wahrgenommenen Wertigkeit oder einer künstlerischen Aussage – weil sie selber keine sieht.

Kunst in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz gewinnt aber zweifelsohne an Bedeutung Vermehrt präsentieren Galerien und Museen Ausstellungen dazu. Die Colección SOLO in Madrid rief zu einem Wettbewerb auf. Für den “AI 23 AWARD” haben mehr als 500 Kreativschaffende Werke eingereicht. Als Gewinner wurde Lars Nagler aus Deutschland gekürt.

Dreams of FeFe von Lars Nagler - https://solojsn.gitbook.io/solojsn/solo-ai-23-awards/solo-ai-23-awards/solo-ai-23-winner-announcement

Die Galerie Greulich widmet dieser technischen und künstlerischen Entwicklung eine eigene Ausstellung: “I, A(I)rtist –Kunst im Zeitalter von KI” wirft einen Blick auf die Digitale Kunst/NFTs. Die Bandbreite reicht von Ungegenständlichen bewegten Bildern, die ihre Ansatzpunkte in der Farbfeldmalerei haben bis hin zu bildlich generierten Erinnerungen, die mittels Fotografien erstellt werden.

Animierte Bilder

Klammheimlich hat sich die Plattform Sansa mit der Collection Braindrops zu einer bedeutenden Kunstplattform gemausert, auf welcher KI-Kunst als NFTs gehandelt wird. Erfolgreich unterwegs ist die Serie podGANs von Pindar van Arman. Der KI-Artist arbeitet mit künstlich intelligenten Malrobotern zusammen. Ihre kreativen Köpfe nutzen eine breite Palette konkurrierender KI-Agenten, darunter Deep Learning, generative Algorithmen und Feedback-Schleifen, um ihre Kreationen mit einem Pinselstrich nach dem anderen in die materielle Welt zu bringen.

dancing sep7epod (774/1023) von Pindar van Arman -https://sansa.xyz/asset/0xdfde78d2baec499fe18f2be74b6c287eed9511d7/2000774

Elena Latuzina präsentiert in ihrer Collection “Color of Happiness” Architektur mit Farbe und Glück gefüllt, mit viel Liebe und Herzlichkeit gemacht.

29 Cotton Candy St. von Elena Lazutina - https://objkt.com/asset/KT1H9Zwm7DporZSKkD1gN9RuZuBsKupKMuMg/28

Wie die (animierten) Bilder genau zustande kommen, weiss der Erschaffer oder die Erschafferin wohl nur selber - oder auch nicht. Denn sicher spielt auch Zufall eine Rolle. KI kreiert Bilder, die ein Mensch beeinflussen kann. Mit KI entstehen jedoch technisierte Kulturästhetiken jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Noch spannender wird das Endprodukt, wenn die erzeugten Bilder nachbearbeitet oder auch animiert werden.

Die Preise für die Werke sind höchst unterschiedlich. NFTs gibt es für ein paar Schweizer Franken bis zu mehreren tausend CHF zu kaufen. Das Betrachten von KI-Kunst auf den NFT-Plattformen ist auf jeden Fall “eine Reise wert”. Überraschungen sind garantiert.

growingup.gif von genresis - https://objkt.com/asset/KT1QrK6VzwvGwZEJ7t5nS2vCE7EahJDiyZN6/71