Über die Kraft der KI in der Kunst

Künstliche Intelligenz verändert den Blick auf die Kunst. Kreativschaffende testen und spielen mit Tools und erstellen so neue Bildwelten jenseits menschlicher Vorstellungskraft.

Peace Delivery von Roope Rainisto - https://sansa.xyz/asset/0xdfde78d2baec499fe18f2be74b6c287eed9511d7/15000109

Unperfekte und fast perfekte Fotos

Ein Shooting-Star in der Szene ist der Finne Roope Rainisto. In der Serie “Life In West America” untersucht der Designer und Fotograf in einem post-photographischen Projekt die USA: Das Land als Konzept, als Ideal und die Geschichten der Menschen, die diesen Raum bewohnen. Die Kollektion kombiniert die visuelle Sprache der traditionellen Fotografie mit den grenzenlosen Möglichkeiten der KI und fängt einen Moment in der Zeit und in der generativen Technologie ein. Jedes der Werke wird mit speziell für dieses Projekt trainierten Modellen erzeugt.

Sexiest fantasy von Roope Rainisto - https://sansa.xyz/asset/0xdfde78d2baec499fe18f2be74b6c287eed9511d7/15000386

Auf einen ersten flüchtigen Blick wirken die Fotos wie Erzeugnisse vor 50 bis 60 Jahren. Auf den zweiten Blick sind etliche Fehler auf dem Bild zu erkennen, welche nicht der Realität entsprechen. Roope Rainistor meint dazu: “Nachdem ein menschlicher Künstler gelernt hat, eine Hand mit fünf Fingern "richtig" zu zeichnen, fällt es ihm schwer, etwas grundlegend anderes zu zeichnen.

In der Serie “Essential Night” von Roope Rainistor wirken die Dämmerungs- und Abendstimmungen in Verbindung mit verlassenen Orten schon fast wie perfekt belichtete und komponierte Fotografien.

16 Essential Night von Roope Rainisto - https://objkt.com/asset/KT1ARCU7pKbrrpt4HaoJCVS7tKGLMu3qb9XR/15

AI Kunst im Louvré Paris

Gestern machte die Schlagzeile die Runde, dass Werke von Claire Silver in einer Einzelausstellung im Louvre ausgestellt werden. In Wahrheit dürfte es sich nicht um einen prominenten Saal im berühmten Louvre Museum in Paris handeln, sondern um einen Ausstellungsraum im nahegelegenen Le Carrousel du Louvre. Claire Silver ist jedoch keine Unbekannte im Kunstmarkt. Seit 5 Jahren beschäftigt sie sich mit KI-Kunst, das Werk “Blood in the Streets, Late to the Ball” wurde 2022 an einer Auktion bei Sotheby’s versteigert.

Page 466 von Claire Silver - https://opensea.io/assets/ethereum/0xb7ec7bbd2d2193b47027247fc666fb342d23c4b5/100466

In der Serie “AI Art is Not Art” thematisiert sie die Kritik, welcher KI-Kunst ausgesetzt ist. Es fehle ihr an künstlerischem Wert und Können. Die Serie stellt diese Vorstellung in Frage, indem sie auf die Kunstgeschichte zurückgreift. Mit KI-Tools wie Artbreeder, Prosepainter, Collage by Studio Morphogen, Midjourney, Diffusion, StabilityAI und Dalle2, sowie Handmalerei und digitale Collagen erschafft sie einzigartige Kollaborationen mit KI.

Sind Bilder durch künstliche Intelligenz überhaupt Kunst?

Die Frage dürfte oft gestellt werden und zu unterschiedlichen Antworten führen. Es gibt Pro und Contras. Tatsache ist, dass überzeugende und einzigartige Bilder nicht einfach so auf Knopfdruck passieren.

Viele Leute denken, Bild-KI seien leicht zu bedienen: Man gibt ein paar Begriffe ein, und die KI spuckt ein Meisterwerk aus. Aber es braucht sehr genaue Prompts zu Inhalt, Stil, Perspektive und vielem weiterem. Es ist wie an Stellschrauben zu drehen. Zwischen uns und dem fertigen Werk steht eine Maschine, die nur das macht, was man ihr sagt. Sie entscheidet nicht aufgrund einer von ihr wahrgenommenen Wertigkeit oder einer künstlerischen Aussage – weil sie selber keine sieht.

Kunst in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz gewinnt aber zweifelsohne an Bedeutung Vermehrt präsentieren Galerien und Museen Ausstellungen dazu. Die Colección SOLO in Madrid rief zu einem Wettbewerb auf. Für den “AI 23 AWARD” haben mehr als 500 Kreativschaffende Werke eingereicht. Als Gewinner wurde Lars Nagler aus Deutschland gekürt.

Dreams of FeFe von Lars Nagler - https://solojsn.gitbook.io/solojsn/solo-ai-23-awards/solo-ai-23-awards/solo-ai-23-winner-announcement

Die Galerie Greulich widmet dieser technischen und künstlerischen Entwicklung eine eigene Ausstellung: “I, A(I)rtist –Kunst im Zeitalter von KI” wirft einen Blick auf die Digitale Kunst/NFTs. Die Bandbreite reicht von Ungegenständlichen bewegten Bildern, die ihre Ansatzpunkte in der Farbfeldmalerei haben bis hin zu bildlich generierten Erinnerungen, die mittels Fotografien erstellt werden.

Animierte Bilder

Klammheimlich hat sich die Plattform Sansa mit der Collection Braindrops zu einer bedeutenden Kunstplattform gemausert, auf welcher KI-Kunst als NFTs gehandelt wird. Erfolgreich unterwegs ist die Serie podGANs von Pindar van Arman. Der KI-Artist arbeitet mit künstlich intelligenten Malrobotern zusammen. Ihre kreativen Köpfe nutzen eine breite Palette konkurrierender KI-Agenten, darunter Deep Learning, generative Algorithmen und Feedback-Schleifen, um ihre Kreationen mit einem Pinselstrich nach dem anderen in die materielle Welt zu bringen.

dancing sep7epod (774/1023) von Pindar van Arman -https://sansa.xyz/asset/0xdfde78d2baec499fe18f2be74b6c287eed9511d7/2000774

Elena Latuzina präsentiert in ihrer Collection “Color of Happiness” Architektur mit Farbe und Glück gefüllt, mit viel Liebe und Herzlichkeit gemacht.

29 Cotton Candy St. von Elena Lazutina - https://objkt.com/asset/KT1H9Zwm7DporZSKkD1gN9RuZuBsKupKMuMg/28

Wie die (animierten) Bilder genau zustande kommen, weiss der Erschaffer oder die Erschafferin wohl nur selber - oder auch nicht. Denn sicher spielt auch Zufall eine Rolle. KI kreiert Bilder, die ein Mensch beeinflussen kann. Mit KI entstehen jedoch technisierte Kulturästhetiken jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Noch spannender wird das Endprodukt, wenn die erzeugten Bilder nachbearbeitet oder auch animiert werden.

Die Preise für die Werke sind höchst unterschiedlich. NFTs gibt es für ein paar Schweizer Franken bis zu mehreren tausend CHF zu kaufen. Das Betrachten von KI-Kunst auf den NFT-Plattformen ist auf jeden Fall “eine Reise wert”. Überraschungen sind garantiert.

growingup.gif von genresis - https://objkt.com/asset/KT1QrK6VzwvGwZEJ7t5nS2vCE7EahJDiyZN6/71

Quasimondo: Mit Algorithmen und Daten zu neuen Gesichtern

Wer sich mit Künstlicher Intelligenz und Kunst beschäftigt, kommt an Mario Klingemann nicht vorbei. Wieso er sich Quasimondo nennt und was dies mit einem Bon-Bon zu tun hat, verrät er in diesem Interview.

Deposed 001 by Mario Klingemann, 2021 - https://objkt.com/asset/hicetnunc/65888

Mario Klingemann aka Quasimondo ist ein Künstler und ein Skeptiker mit einem neugierigen Geist. So stellt er sich auf seiner Website vor. In den 90-er Jahren gestaltete er noch Flyers für Technoklubs, mittlerweile sind seine bevorzugten Werkzeuge neuronale Netze, Code und Algorithmen. Gegenüber NFTs und deren Marketplaces war er lange skeptisch. Mit der Plattform hic et nunc hat sich dies letztes Jahr geändert. Regelmässig und oft überrascht Quasimondo mit neuen Werken und Projekten.

Lieber Mario, wieso der Name Quasimondo?

Den Namen Quasimondo habe ich Anfang der 2000er Jahre adoptiert. Das war die Zeit in der ich immer, wenn mir ein interessantes Wort oder ein Projekt eingefallen ist, geschaut habe, ob die .com Domain noch zu haben war. Quasimondo gefiel mir, weil es damals nur 10 Suchergebnisse bei Google dazu gab, die meisten davon Tippfehler von "Quasimodo" und weil ich den Buchstaben "Q" schon immer als den interessantesten und seltensten im Alphabet fand (10 Punkte bei Scrabble). Ich sage immer, das sich Quasimondo so rund und geschmeidig wie ein Bon-Bon im Mund anfühlt.

Als dann etwas später die Blogging-Welle losging, hatte ich dann diese Domain hergenommen um über meine Experimente zu schreiben. Dann kam Twitter und nachdem mein Blog in der Zwischenzeit recht beliebt geworden war, hatte ich dann Quasimondo auch als mein handle verwendet. Die praktische Überlegung war dann natürlich auch, dass dieser Name normalerweise immer zu haben ist, wenn ein weiteres soziales Netzwerk seine Türen öffnet. 

Mit der NFT-Plattform hic et nunc tauchte im Frühling 2021 ein neuer Player auf dem NFT-Markt auf und überraschte mit tiefen Transaktionenkosten. Quasimondo war von Anfang an dabei und hat sich für die Weiterentwicklung der Plattform hic et nunc stark engagiert. Er hat Einträge auf github verfasst oder die Website here-or-there.glitch.me erschaffen, auf welcher alle bisher “geminteten” Objekte zu einer Art Weltkugel formiert wurden. Er veröffentliche aber nicht nur neue Werke, sondern auch ältere, wie zum Beispiel der Voronoi Loop #02, welcher 2012 erstmals auf dem Blogdienst Tumblr zu sehen war.

Einige digitale Fotos von “Memories of Passerby I wurden auf der NFT-Plattform hic et nunc verkauft. “Memories of Passersby I” ist ein Werk von Mario Klingemann, welches dank Künstlerischer Intelligenz auf zwei Bildschirmen spontan Gesichter imaginärer Männer und Frauen erstellt. Das Werk wurde 2018 bei Sotheby’s versteigert.

Wer sich für Künstliche Intelligenz und Kunst interessiert, stolpert eher früher als später über deinen Namen und dein Werk “Memories of Passersby I”. Siehst du dieses Werk auch als Meilenstein in dieser Kunstsparte (Artificial Intelligence-Art) an? Oder über welche andere AI-Kunstwerke denkst du, wird noch in 50 Jahren gesprochen?  

Als Künstler hofft man natürlich immer, dass ein paar seiner Werke n der Kunstgeschichte Spuren hinterlassen. Zumindest wenn ich mich umsehe um zu schauen, was an anderen AI-Werken in derselben Zeit geschaffen wurde, entdecke ich da nicht sehr viel Vergleichbares. Das mag natürlich an meiner Filter-Bubble liegen, aber wie du schon sagtest: man kann es kaum vermeiden darüber zu stolpern, wenn man sich mit der AI-Kunstgeschichte befasst.

Die Frage über was man in 50 Jahren noch sprechen wird, ist natürlich sehr davon abhängig, an was man sich heute noch erinnert. Es gibt natürlich immer Mal wieder "Entdeckungen", wo zu Lebzeiten völlig unbekannte Kunstschaffende oder Kunstwerke Jahrzehnte später in einem Archiv wiedergefunden werden.

Botto ist ein weiteres Projekt von Quasimondo, welches dank Künstlerischer Intelligenz Objekte erschafft. Die Community meldet Botto ihre favorisierten Werke. Mit dem generativen Algorithmus wird so ein Bild erstellt, welches im Anschluss auf der NFT-Plattform SuperRare zur Versteigerung kommt. Botto soll insgesamt während 52 Wochen 52 Kunstwerke erzeugen, welche zum Verkauf angeboten werden. 

Botto soll aber nicht nur online in Erscheinung treten. Im Februar 2022 gibt es eine Ausstellung in Los Angeles, wenig später ist die Präsentation der Botto-Bilder in der Colección SOLO in Madrid geplant.  

Mario Klingemann meint zum Projekt Botto: „Meine Utopie ist es, mit Botto so etwas wie ein universelles Grundeinkommen für alle zu schaffen, die an dieses Konzept glauben und in der Lage sind, einen kleineren oder größeren Anteil daran in Form von $BOTTO zu erwerben. Denn sobald man Anteile an Botto hat, macht die KI ja den Rest der Arbeit und ist, was die Unterhaltskosten betrifft, eher genügsam, so dass der Großteil der Einnahmen durch die Kunstverkäufe indirekt an seine Anteilhaber geht. Die Produktionsmittel sind also in diesem Fall nicht in den Händen weniger, sondern jeder kann daran teilhaben – muss dafür aber nicht mehr selber arbeiten.“

Publikumsmagnet an der Art Basel Miami Beach war ein weiteres Projekt von Quasimondo: 0xC0FACE COLLECTION. Im Dezember 2021 konnten Besucher:innen ein Porträt in Echtzeit generieren lassen. Das Porträt wurde gemeinsam von einem menschlichen und einem maschinelle Algorithmus erstellt, entworfen von Mario Klingemann. Durch die Interaktionen der Personen entstanden für die 0xC0FACE COLLECTION fast 5’000 einzigartige NFTs. In diesem Interview verrät Quasimondo mehr über den generativen Algorithmus.

Die Frage, ob Kunstmaschinen in naher Zukunft in der Lage sein werden, „interessantere Werke“ als Menschen zu kreieren, wird Quasimondo sicher weiterbeschäftigen.

Wer in Sachen Quasimondo auf dem neusten Stand sein will, folgt Mario Klingemann am besten auf Twitter.